Bauerordnung vom 30.Dezember 1764

Tit.1 Vom Gottesdienst und anderen feierlichen Handlungen

§1
An Feier-, Sonn, und Bußtagen soll keine Haus- und Feldarbeit verrichtet werden. Die Obrigkeit soll nicht gestatten, daß ihre Diener, Bauersleute und Einwohner unter der Predigt mit Säen, Pflügen, Mähen, Verkaufen und anderer Handarbeit und Gewerbe den Gottesdienst versäumen, viel weniger Korn und dergleichen Waren zur Stadt bringen.

§ 2.
Die Bauersleute sollen an Sonn- und Feiertagen mit Anfuhren, Jagden, Fischereien und anderen Diensten ohne sonderliche erhebliche Not verschont werden.

§ 3.
Wein, Korn und Branntwein soll bei Verlust aller Vorräte nicht während des Gottesdienstes geschenket werden.

§ 4.
Auf Hochzeiten, Kindtaufen und Begräbnissen und dergl. Zusammenkünften wird bei ernsten Strafen aller Ueberfluss an Essen und Trinken und unordentlicher kostbarer Kleidung verboten.

§ 5.
An Sonn- und Festtagen sollen keine Zusammenkünfte gehalten, noch Bier eingeleget, kein Spielwerk und unordentliches Tanzen geduldet werden.

Tit. II. Von Verlöbnissen der gutshörigen Untertanen


§ 1.
Ohne Vorwissen und Bewilligung der Gutsherrschaft des Orts sollen Bauersleute und ihre Kinder und Dienstleute sich weder verloben noch verheiraten.

§ 2.
Bei Eheleuten, welche in Kriegszeiten ohne diese Erlaubnis zusammen gekommen sind, sollen die erzeugten Kinder dem Manne folgen, die Herrschaft des Weibes aber ein Abtrags- oder Kistengeld erhalten. 

§ 3.
Hat ein Knecht ohne Einwilligung der Herrschaft eine Witwe eines .andern Gutspflichtigen geheiratet, so gehören die Kinder erster Ehe der Gutsherrschaft des Weibes, die Kinder mit dem Knecht folgen dem Vater und das Weib muss sich mit ihrer Obrigkeit vergleichen.

§ 4.
Ohne Bewilligung der betr. Gutsherrschaft vollzogene Verlobungen sind rechtsungültig.

§ 5.
Herrschaften, welche heimliche Verlobungen ihrer Pflichtigen mit denen anderer Güter befördern, verlieren ihre Ansprüche.

§ 6.
Die unehelichen Kinder einer untertänigen Magd von einem freien Mann sind Eigentum ihrer Herrschaft als glebae adscripti [s.u.).

Tit. III. Von Beschaffenheit derer Bauern und deren Abforderung

§ 1.
Die' Bauern sind keine leibeigenen Sklaven, die verschenkt, verkauft oder in commercio traktiert [Gegenstand eines Handelsgeschäfts[ werden können. Was sie durch Fleiß und ihre Arbeit gewinnen, das ist ihr Eigentum und ihrer Kinder Erbteil. Die Hofwehr Acker, Wiesen, Garten und Häuser gehören der Herrschaft des Gutes als res soli [Eigentum) und die Bauern sind keine Erbzins- und Pachtleute, sondern Guts-Eigenbehörige Untertanen und (glebae adscripti (der Erdscholle Zugeschriebene, an die Erdscholle Gebundene) , welche allerhand Dienste zur Bestellung des Gutes, oder welche sonst üblich sind, leisten müssen. So sind auch weder sie noch ihre Kinder befugt, ihre Scholle ohne Einwilligung der Gutsherrschaft zu verlassen. Sie haben kein dominium nec directum, neque utile [Ober- noch Untereigentum), keine Erbgerechtigkejt nec ex contractu emphyteutico (Erbpachtvertrag) nec libellardo nec censuati [weder aus einem Erbpachtvertrag noch aus einem Erbleihvertrag noch die Rechtsstellung eines Zinsnehmers, viel weniger exceptionem perpetuae coloniae [Einrede aus fortdauerndem Besitz [, auch wenn sie 50 - 100 Jahre die Höfe bewohnt haben.

§ 2.
'Ohne Erlaubnis der Herrschaft soll niemand ein anders domicilium [Wohnstatt), suchen oder ausser Landes gehen. Widerspenstige werden mit der Karre, Zuchthaus und anderen Leibesstrafen bedacht

§ 3.
Niemand darf einen fremden Mann ohne Erlaubnisschein aufnehmen.

§4
Wer die Flucht eines Untertanen befördert, ist dessen Herrschaft
Schadenersatz schuldig.

§ 5.
Für Instleute und ledige Personen gibt es eine eigene Gesindeordnung.

§ 6.
Uneheliche Kinder folgen der Mutter.

§ 7.
Ein sonst freier Knecht, welcher eine Untertanin heiratet, wird mit den Kindern untertänig.

§ 8.
Ein freier Mensch, welcher einen freien Hof annimmt, bleibt mit seinen Kindern frei, wenn er sich der Freiheit nicht selbst begibt.

§ 9.
Wer sich für frei ausgegeben, aber doch einer anderen Herrschaft gehört, muss sein Weib loskaufen und kann dann dasselbe und die Kinder mitnehmen, ist aber für seine angemasste Freiheit straffällig.

§ 10.
Die durch den Krieg vertriebenen Gutspflichtigen sollen auf ihre Scholle zurückkehren.

§ 11.
Wenn ein Bauer oder Kossäte seinen Acker nicht gehörig bestellt,
die Gebäude verfallen lässt, den Viehstand nicht gehörig unterhält, die Hofwehren veräussert, Schulden contrahiert, die Herrschaft und gutsherrlichen Gefälle nicht gehörig abführet und überhaupt sich als keinen rechtschaffenen Wirt geriret, so wird er abgesetzt, bleibt aber untertänig.

§ 12.
Sind nicht alle vorhandenen Personen zur Bewirtschaftung des Gutes nötig, so können einige mit Erlaubnis der Gutsherrschaft Handwerke lernen und andere Handtierung suchen. Handwerker, welche der Herr auf seine Kosten ausbilden lässt, bleiben untertänig.

Tit. IV. Von der Bauersleute Ehegeld, auch Vater- und Mutter-Erbe, ingleichen von Zahlung der Schulden

§1
Ehegeld und Brautschatz setzt die Obrigkeit nach Verhältnis des wirklichen Eigentums der Eltern fest.

§ 2.
Beim Tode eines Ehegemahls soll eine Auseinandersetzung mit den Kindern geschehen und erhält der überlebende Gatte die eine, die Kinder die andere Hälfte des Eigentums, also ohne Hof etc.

§ 3.
An dem Teil, welches der überlebende Gatte erhalten hat, haben bei einer zweiten resp. dritten Ehe die vorigen Kinder beim Tode nur Anspruch, wenn die Ehe kinderlos blieb.
 
 

Gutsherrschaft, adlige und charakterisierte Pächter und Prediger sind an diese Ordnung nicht gebunden.
 
 

Quelle: Hoevel, Ruth, Kirchspiel Krangen Kreis Schlawe in Pommern, S. 93 - 97
Fußnote von R. Hoevel zu diesem Text:
Es hätte den Rahmen dieser Arbeit gesprengt, zu erfahren versuchen, wer der Verfasser dieser Bauerordnung sein könnte, die so offensichtlich im Gegensatz zu dem steht, das Friedrich der Grosse und vor ihm sein Vater angestrebt hatte........


 
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erstellt von Margret Ott Letzte Aktualisierung Sonntag, 09. September 2001