Eine Weihnachtsfeier im Jahre 1534
Ehre sy Gade in der Högede
Unde Freede up Erden
Unde dem Minschen ein Wohlgefallent"
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Von Karl Rosenow
Herzog Barnim IX:

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F ür die pommerschen Herzöge Barnim XI. und Philipp I. war es
ein Gebot der Notwendigkeit, die Reformation in Ihrem Lande einzuführen,
um der aufs höchste gestiegenen Ordnungslosigkeit entgegenzutreten , wenn
sie nicht Land und Leute verlieren wollten. Barnim lud daher seinen Neffen
zu einer Zusammenkunft nach Cammin im August 1534 ein, um mit ihm
gemeinsam darüber zu beraten. Nach erfolgtem Entschluß zur kirchlichen
Umgestaltung wandten sich die Herzöge an Johann Bugenhagen mit dem
Ersuchen, die kirchliche Neuerung zu bewerkstelligen. |
A ls geborener Pommer war er mit Land und Leuten bekannt , besaß
das allgemeine Vertrauen der Pommern und hatte sein außerordentliches
Geschick bei derlei Angelegenheiten schon in Braunschweig, Hamburg und
Lübeck aufs beste bewährt
. Das Schloss in
Rügenwalde heute. |
A uch diesmal sollte man sich nicht getäuscht haben. Freudig
sagte er zu und setzte es auf dem Landtage zu Treptow im Dezember 1534 mit
größtem Eifer trotz mannigfaltiger Widerstände durch, dass die
evangelische Lehre in Pommern allgemein eingeführt werden sollte. Kurz
vor Weihnachten begab er sich mit Barnim nach Rügenwalde, um hier das
Weihnachtsfest im Schlosse zu verleben, seine Pommersche Kirchenordnung zu
überarbeiten und dann Kirchenvisitationen in Stolp, Schlawe, Rügenwalde
und Stettin abzuhalten. Als hochangesehener Gast wurde er auf dem Schlosse
aufgenommen, in dessen Räumen er schon 1517 geweilt, als ihm Bogislaw X.
den Auftrag zu seiner Pomerania gab.
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Herzog Philipp I. |

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I m stillen hatte sich in unserer Stadt schon der Umschwung zur
neuen Lehre vollzogen. Zwar waren mehrere angesehene Ratsfamilien der
neuen Lehre abhold, besonders die vielen katholischen Geistlichen und die
Karthäusermönche von Marienkron; aber gerade sie hatten in den letzten
Jahren durch ihre Geldgier , ihre "Pracherei" immer mehr an
Einfluss verloren. Der erste Geistliche, der letzte Pleban Heinrich
Gerecke und mit ihm die Mehrzahl der Bürgerschaft waren Luthers
Anhänger. Wesentlich vorgearbeitet mögen auch hier bei uns die schon
1534 von Bugenhagen verfasste erste evangelische plattdeutsche
Bibelausgabe und ebenso die ins Niederdeutsche übertragenenen
Kirchenlieder und der lutherische Katechismus haben. Auch hier stimmte man
wohl hinter verschlossenen Türen die neuen Kirchenlieder an und hörte
den Prädikanten zu. Die zu Gebote stehenden Quellen versagen leider
darüber. |
D as Schloss, damals schon mehrfach um- und ausgebaut, gewährte
einen weit stattlicheren Anblick als heute. Weithin war seit König Erichs
Zeiten die Schlosskirche durch ihre Kostbarkeiten und Sehenswürdigkeiten
berühmt. Auf dem Hauptaltar stand aus dem königlichen Schatze nun schon
seit beinahe hundert Jahren eine Monstranz von eitelm arabischen Golde,
worin das Sakrament aufbewahrt wurde. Daneben sah man, zu einem Leuchter
umgearbeitet, ein Einhorn, einen Stoßzahn des Narwal, der als Mittel
gegen Vergiftung und Tollwut gegen Gold aufgewogen wurde. Thomas Kantzow,
der die Schlosskapelle in jenen Jahren sah, berichtet ausdrücklich von
diesen beiden Kostbarkeiten und fügt hinzu, dass noch viele andere
Kleinodien vorhanden gewesen. Also müssen wir uns auf dem Haupt- und
Nebenaltären Bilder und Bildsäulen Christi, der Mutter Maria und der
Heiligen, kostbare Reliquienschreine, silberne und vergoldete
Abendmahlsgeräte , mit Silber- und Goldfäden durchwirkte Altardecken,
Leuchter usw. hinzudenken. Erwähnt wir ein "Fl. Instrument vom
Fürstlichen Hause" wahrscheinlich eine Orgel.

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Weihnacht 1534 war da! Die Schlosskapelle erstrahlte in höchster
Pracht und Glanz, galt es doch, zum ersten Mal an dieser Stelle das reine,
unverfälschte Evangelium zu verkündigen. Herzog Barnim mit seinem ganzen
Hofstaate in den farbenprächtigen kleidsamen Trachten des Mittelalters,
Vertreter des umwohnenden Adels und der getreuen Stadt Rügenwalde waren
dazu erschienen. Gewaltig erbrauste das Lied, von der ganzen Gemeinde
gesungen und der Musik begleitet:
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"Allein Godt in der Höge sy ehr und dank vor
sine Gnade darumb, dat nu und vort nicht mehr uns rören mach neen
schade. Ein wohlgevall Godt an uns hat, nu ys groth freede Underlath,
all feyde hefft nu ein ende."
" O Jhesu Christ, Sön eingebarn des
Hemmelschen Vaders, Vorsöner der, de weren vorlaren, du stiller unses
haders. Lam godes, hillige Herr und Godt, nimb an de Bede van unser
nodt, vorbarme dy unser Armen"
(Nutte ghesangk Boek 1526)
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W ie Sturmwind klang das Bekenntnis der ganzen Gemeinde, und
mancher gedachte dabei der vergangenen Jahre, da sie heimlich im
Verborgenen den Text gesungen. Das hatte nun ein Ende. Frei und
öffentlich durfte man seinen Glauben bekennen. Wie oft hatte man sich
nicht gewünscht, auch mitsingen zu dürfen, anstatt bei der Messe die
unverständlichen lateinischen Wechselgesänge zwischen dem Priester und
dem Ministranten (Altardiener) More Romano (nach römische Weise)
mitanhören zu müssen.
(Der Priester beginnt: In Nomine Patris et Filii et Spritus Sancti,
Amen! und macht drei Kreuze dabei wie auch der Ministrant - - - )
Als die Klänge des 'Allein Gott in der Höhe' verhallt waren, da trat
Bugenhagen vor den Altar, eine hohe, kraftvolle Gestalt, nicht im
kostbaren Messgewand, sondern im schlichten, schwarzen Priesterrock. Dr.
Pommer nannten sie ihn in Wittenberg, weil er nur pommersch predigte.
Wie schön, wie einfach, wie verständlich klang es, als er aus der
plattdeutschen Bibel, die alte, ewig neue Weihnachtsbotschaft verlas:
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"Idt begaff sick auerst tho der tydt, dat ein Gebot van dem Keyser
Augusto uthginck, dat de gantze Werlt geschattet wörde. Unde disse
Schattinge was de allererste, unde geschach tho der tydt, do Kyrenius
Landpleger in Syrien was. Unde jedermann ginck hen, dat he sick schatten
lete, ein jeder in syne Stat.
Do makede sick ock Joseph up uth Galilea, uth der Stat Nazareth, in dat
Jödische Lant na de Stat David, de dar hett Bethlehem, darümme, dat he
van dem Huse und Geslechte Davids was, Up dat he sick schatten lete mit
Maria syner vortruwenden Fruwen, de dar swanger was. Unde alse se
darsüluest weren, quam de tydt, dat se teelen scholde. Unde se teelede
eren ersten Söne unde wandt en in Windeln unde leede en in eine Krübbe.
Wennte se hadden süß neen Ruhm in der Herberge.
Unde dar weren Herden in dersüluen jegent up dem Felde by den Hütten,
de hödeden des Nachtes ere Heerde. Unde sühe, de Engel des Herenn trat
tho en, unde de Klarheit des Heren lüchtede umme se, unde se früchteden
sik seer. Unde de Engel sprack tho en: Früchtet juw nicht! Sehet, ick
vorkündige juw grote Fröwde, de allem Volcke wedderfahren wert. Wente
juw is hüten de Heylant gebaren, de dar is Christus, de Here in der Stat
David. Unde dat hebbet thom Teken: "Gy werdet dat Kind finden in
Windele gewunden unde in einer Krübben liggende. Unde also balde was dar
by dem Engel de veleheit der Hemmelschen Heerscharen, de lauenden Godt
unde spreken: Ehre sy Gade in der Högede unde Freede up Erden unde dem
Minschen ein Wolgefallent."
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Anbetung der Hirten Rembrandt (Radierung 1654)
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U nd als Bugenhagen dann in seiner einfachen Weise über die
Liebe Gottes , die Erlösung aus Gnaden durch den Glauben predigte, da
wurde auch manch Auge feucht, dem Tränen sonst ungewohnt waren; denn das
ging zu Herzen, das verstand jeder, sprach doch ein Pommer zu ihnen, der
selbst durch schwere Kämpfe sich zur Erkenntnis durchgerungen hatte. Das
war wahrlich die schönste Weihnacht in Rügenwalde, und wenn wir die
Schlosskirche sehen, sollen wir nicht vergessen, sondern immer daran
denken, dass von ihr aus einmal die Lehre des reinen Evangeliums in unsere
Gegend ausgestrahlt ist.
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Dieser Artikel erschien in der Beilage der Rügenwalder Zeitung
"Aus der Heimat" Nr. 15 im Dezember 1925.
Die Abbildungen stammen von http://ruegenwalde.com
(Autor Udo Madsen) (Abb. von Barnim und Philipp) ,
Böttger, Bau- und Kunstdenkmäler Pommerns (Abb. des Rügenwalder
Schlosses s/w) ,
www.photoworld.toya.net.pl/zamki1/north/s03.html
Rügenwalde heute
www.kircheschlebusch.de/geburt.htm
Rembrandt, Anbetung der Hirten
www.tasc.ac.uk/histcourse/reformat/eng1/gei417.htm
Bugenhagen groß
www.luther.de/bugenha.html
Bugenhagen Kopf |
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